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EWR baut Traditionsstandort erfolgreich aus8 min read

27. August 2018, Lesedauer: 6 min

EWR baut Traditionsstandort erfolgreich aus8 min read

Lesedauer: 6 Minuten

Mit dem Kraftwerk Höfen unweit von Reutte brachte die Elektrizitätswerke Reutte AG (EWR) ihr jüngstes Kraftwerks­projekt ans Netz.

Die neue Kleinwasserkraftanlage nahm im April den Probebetrieb auf. In einer Bauzeit von rund 16 Monaten konnte ein neues Kraftwerksgebäude errichtet, umfangreiche Maßnahmen zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie, sowie weitreichende Sanierungsarbeiten an der bestehenden Wehranlage und im Bereich des Hochwasserschutzes umgesetzt werden. Einzelne Maßnahmen, wie eine ökologisch nachhaltige Restwasserabgabe, ein moderner Fischaufstieg und die Wehrverbreiterung für den Hochwasserschutz, tragen erheblich zur ökologischen Aufwertung der gesamten Gewässersituation am Standort bei. Das neue Kraftwerk liefert künftig 2,6 GWh grünen Strom pro Jahr.

Im Mittelalter waren es vor allem Salz und Holz, die über die natürliche Lech-Furt im heutigen Höfen transportiert wurden. Wo einst die alte Furt war, wurde schon früh ein Wehr errichtet, um die Kraft des Wassers wirtschaftlich zu nutzen. Die Wasserkraft stand in Diensten der Textilwerke Reutte, die unter dem früheren Namen Reuttener Textilwerke AG (RTW) als das älteste Industrieunternehmen im Reuttener Becken gilt – oder besser: galt. 2008 wurde das Unternehmen geschlossen, dessen Anfänge sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen lassen. Bereits 1988 übernahmen die Elektrizitätswerke Reutte AG (EWR) das bestehende Ausleitungskraftwerk des Textilunternehmens, das an der rechten Uferseite des Lech situiert ist. Es ist in dieser Form seit 1952 in Betrieb und liefert mittels zweier Staustufen und drei Maschinensätze rund 2,4 MW Leistung.
Die EWR verfügt über ein historisch gewachsenes Stromversorgungsgebiet, welches sich über das beinahe ganze Außerfern bis ins südliche Ostallgäu erstreckt. „Der Grund­stein des Unternehmens wurde 1903 mit der Inbetriebnahme des Kraftwerks am nahegelegenen Plansee gelegt“, erklärte Ing. Georg Hauser, Leiter der Stromerzeugung bei der Elektrizitätswerke Reutte AG. Die EWR produziert derzeit mit 14 Wasserkraftwerken rund 160 GWh pro Jahr, wobei die Stromerzeugung selbst ausschließlich auf  Tiroler Gebiet erfolgt.

AUFLAGEN UND SANIERUNG ALS AUSGANGSPUNKT
Zwei Punkte machten einen Ausbau des Kraftwerkstandorts in Höfen unumgänglich: Zum einen galt es, die Auflagen der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umzusetzen, zum anderen bestand Sanierungsbedarf an bestehenden Anlagenteilen, vor allem an der Wehranlage. „Wir haben uns Gedanken dazu gemacht, wie wir den ökologischen Aspekt mit dem wirtschaftlichen Faktor nachhaltig verbinden und einen Beitrag zum Hochwasserschutz leisten  können“, so Hauser dazu. Das Ergebnis dieser Überlegungen war der Neubau eines weiteren Krafthauses auf der linken Uferseite. Auf diese Weise werden vorhandene Potentiale genutzt, und gleichzeitig wird die Durchgängigkeit für die Wasserfauna hergestellt. Zudem musste für das Hochwasserproblem eine Lösung gefunden werden. „Die Lösung des Hochwasserproblems war uns ein besonderes Anliegen“, so Hauser weiter. Ein weiteres zentrales Thema des Projekts betraf den Schallschutz: Bedingt durch die an ein Wohngebiet angrenzende Lage, wurde ein großes Augenmerk auf den Schallschutz gelegt und die Dienste eines Ingenieurbüros für technische Physik in Anspruch genommen. „Das Krafthaus wurde mit Sylomer®-­Matten entkoppelt. Das heißt: Es wurden zwei voneinander entkoppelte Gebäudehüllen errichtet, zwischen denen eine Sylomer-Matte eingebracht wurde und die damit frei von Schwingungsübertragungen sind. Grundsätzlich müssen beim Thema Schall alle Maßnahmen im Vorfeld getroffen werden. Das bedeutet, dass jedes noch so kleine Detail in der Planung berücksichtigt werden muss. Im Nachhinein gibt es keine sinnvollen Möglichkeiten mehr, ein Körperschallproblem in den Griff zu bekommen. Ganz ähnlich hielt man diese Vorgaben auch für andere Anlagenteile ein, deren Betriebsschall unter dem vorgegebenen Wert bleiben mussten.    

BAUBEGINN IM JÄNNER 2017
Bis 2013 wurden alle Dokumente eingereicht, und nach einer anschließenden Optimierungsphase erfolgte 2016 der positive Bescheid seitens der Behörden. Damit waren die Weichen gestellt, und die Arbeiten konnten im Jänner 2017 beginnen. Den Auftakt bildete eine aufwändige Baugrubensicherung, die in Form eines Schüttdamms angelegt wurde. Aufgrund der ständigen Hochwassergefahr, von Frühling bis in die Sommermonate hinein, wurde der Schüttdamm mittels Düsenstrahlverfahren (DSV) zusätzlich abgesichert. Dazu wurde eine Injektionslanze in den Boden gebohrt, über die im Anschluss eine Bindemittel-Zementemulsion mit rund 600 bar Druck eingepresst wurde. „Die Baugruppensicherung wurde auf ein 5 jähriges Hochwasser ausgelegt, welches im Sommer 2017 auch tatsächlich eintrat“, sagte Georg Hauser sichtlich erleichtert. Die Baupahse 1 umfasste das Aus­-i laufbauwerk mit dem Fischaufstieg. In der Bauphase 2 wurde das Krafthaus und das Einlaufbauwerk errichtet. Die Bauphase 3 umfasste die Sanierung der Wehranlage. Nach dem Abschluss der Betonarbeiten erfolgte die Montage der Anlagenteile, die aus dem Hause Andritz HYDRO stammen. Der Wasserkraftspezialist, der zudem die E-
Technik sowie weitere Maschinenbauteile beisteuerte, rüstete die Kompaktanlage mit einer vertikalen doppeltregulierten Kaplan-Rohrturbine aus. Das Laufrad misst 2000 mm im Durchmesser, die Turbine bringt eine Nennleistung von 535 kW.

EINHEBEN ERFORDERT ERFAHRUNG
Dabei stellte sich das das Einheben und Montieren der Maschineneinheit als größere Herausforderung dar, als ursprünglich von Betreiberseite angenommen. Die bei Andritz HYDRO ab Werk vormontierten Kraftwerkskomponenten, wie der Leitapparat, das Laufrad und die Welle, wiegen zusammen rund 15 Tonnen. „Aufgrund der Baustelle im Einlaufbereich musste die Turbineneinheit bei einer Ausladung von 30 m und einer Last von 15 Tonnen seine Fracht  zentimetergenau absetzen. Im Anschluss daran wurde das abnehmbare Dach auf die Kraftwerksdecke montiert, es dient in Zukunft als Wartungszugang.
Zwischen dem  Generator aus dem Hause Hitzinger mit 1000 U/min und der Turbine mit einer Drehzahl von 152 U/min sitzt ein Getriebe des bewährten Hersteller Eissenbeiss aus Enns. Die erfahrenen Generatorenbauer aus dem oberösterreichischen Linz lieferten einen wassergekühlten Synchrongenerator mit einer Leistung von 580 kVA und einem garantierten Schalldruckpegel von 85+1dB. Der leistungsstarke Energiewandler bringt immerhin 3,4 t auf die Waage.

LECH ALS HERAUSFORDERUNG FÜR DEN STAHLWASSERBAUER
Der 256 km lange Lech-Fluss entspringt am Formarinsee in Vorarlberg und fließt durch Tirol und Südbayern, wo er schließlich in die Donau mündet. Er gilt als wilder Gebirgsfluss, dessen Pegel – vor allem zur Schneeschmelze – durchaus rapide steigen kann. Die Wasserführung schwankt zu Niedrigwasserzeiten im Winter von 5 m³/s bis zu Hochwasserwerte von 1000 m³/s. Im Sommer pendelt sich der Wert in der Regel zwischen 40-100 m³/s ein. Gerade in der Zeit zwischen Frühling bis Anfang Sommer, da der Fluss besonders viel Wasser führt, sorgt der vermehrte Sedimenteintrag für erhöhte Abrasionsgefahr.
Diesem Umstand galt es vor allem von Seiten der stahlwasserbaulichen Ausrüstung Rechnung zu tragen. Ein Argument, warum die erfahrenen Wasserkraftbetreiber auf einen Branchenspezialisten vertrauten, der über enorm große Erfahrung und jede Menge Know-how verfügt: die Braun Maschinenfabrik GmbH aus dem oberösterreichischen Vöcklabruck. Das Stahlwasserbauunternehmen zeichnete dabei konkret für den horizontalen Rechen inklusive vollautomatischem Rechenreiniger, der Anlagensteuerungen, den gesamten Stahlwasserbau und die aufwändige Wehrsanierung am Altbestand verantwortlich. „Die Techniker von Braun haben sehr professionelle Lösungen für die besonderen Herausforderungen am Lech,  geliefert und alle Projektpunkte hervorragend umgesetzt“, erklärte Hauser dazu. Die Berechnung und Ausführung der Stahlwasserbauteile wurde sehr konventionell unter Verwendung großer Materialstärken ausgeführt.

HORIZONTALER RECHENREINIGER VON BRAUN
Bei dem Horizontalrechen samt Reinigungsmaschine mit elektrischem Kettenantrieb wurde nichts dem Zufall überlassen. Das Know-how eines höchst innovativen Branchenspezialisten steckt unter anderem auch in den Stäben des Feinrechens, die ein tropfenförmiges Design aufweisen. Es handelt sich dabei um ein strömungsoptimiertes und fischfreundliches Profil. Die dazu verbaute Putzharke ist ausschwenkbar und mit zusätzlichen Putzkämmen gegen vermehrten Laubanfall gerüstet. Die richtige Konfiguration des Reinigungsintervalls wird derzeit im Probebetrieb anhand der realen Gegebenheiten eruiert. Befindet sich der Reinigungsvorgang auf halber Strecke, so beginnt sich die aufgesetzte Klappe am Spülschütz zu öffnen. Beim Öffnungsvorgang wird lediglich das Hydraulikventil geöffnet und durch den auf die Klappe wirkenden Wasserdruck presst das Öl aus dem Hydraulikzylinder. Dabei wird die Klappe langsam geöffnet. Beim Schließen pumpt die Hydraulikpumpe das Öl wieder in den Zylinder zurück. Die Spülklappe ist auf der Oberkante besonders geformt und mit Strahlbrechern ausgestattet.

WEHRSANIERUNG
Nach der Trockenlegung der vier zu sanierenden Wehrfelder, die noch von 1952 stammen, wurden mehrere Schadstellen bedingt durch die Abrasion und Schäden durch Hochwasser  ausgemacht. Die Wehrsanierung gestaltete sich in der Folge durchaus aufwändig. Zum einen wurden die Wehrfelder teils verbreitert, um künftige Verklausungen zu verhindern, und zum anderen wurde der Materialaufbau verändert. Der Beton wurde in zwei Etappen eingebracht, mit einer Kernstruktur und darüber einer Deckschicht aus Hartbeton. Besonders beanspruchte Bereiche wurden ­zusätzlich mit Stahlplatten gepanzert beziehungsweise mit Granitblöcken versehen. Die Verwendung von Hubschützen hat sich an diesem Standort bewährt und wurde deshalb weiterverfolgt.

ÖKOLOGISCHE DURCHGÄNGIGKEIT
Anlässlich der Europäischen WRRL hat sich auch die EWR verpflichtet, ihre Projekte möglichst nachhaltig zu realisieren und nimmt diese Aufgabe sehr ernst. Die hier umgesetzten Maßnahmen, eine Durchgängigkeit für die Fauna des Lechs herzustellen, eine Restwasserabgabe für die Ausleitungsstrecke zu gewährleisten und den Fischaufstieg mit dem Hochwasserschutz zu kombinieren, widerspiegeln dieses Bekenntnis. Der Fischaufstieg befindet sich im Retentionsgebiet, also Schwemmgebiet des Lechs und wird bei Hochwasser mit Sedimenten bedeckt. Deshalb sind die 22 Beckenelemente so konstruiert, dass man sie rausheben kann, damit die entsprechende Reinigung bei einer Verlandung von Schlamm-, Kies- und Schottereintrag maschinell erfolgen kann. Die Dotation des Fischaufstiegs wird über ein Stellventil von AUMA individuell geregelt. Die hier ansässigen Leitfischarten sind Bachforellen und Eschen mit circa 40-50 cm Länge. Für diese Fischarten sind deshalb 20 cm Niveauunterschied pro Becken optimal. Insgesamt überbrücken die Lebewesen rund 4,1 m vom Unter- bis ins Oberwasser.

EWR als Top-Lokalversorger ausgezeichnet
Der kommunale Energieversorger mit Sitz in Reutte ist nicht nur Betreiber, sondern verfügt auch über großes Know-how auf weiteren Geschäftsfeldern. Dazu zählen vor allem die Elektroinstallation, Elektroanlagenbau, Kundendienst, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung und Erdgasversorgung. Aus diesem Grund kamen bei diesem Projekt die Planung, die Energieableitung ins Stromnetz, die Montage der Trafoanlage und viele andere Tätigkeiten von EWR selbst. „So ein Projekt ist immer mit gewissen Herausforderungen verbunden und macht man nicht alle Tage. Die Zusammenarbeit den beteiligten Unternehmen hat jedoch gut funktioniert“, so Hauser abschließend. Das Projekt ist unfallfrei über die Bühne gegangen und konnte nach einer Bauzeit von 16 Monaten abgeschlossen werden. Das Monitoring der Fischaufstiegsanlage wird im Herbst starten und voraussichtlich im Frühjahr 2019 abgeschlossen.

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