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KW In Valsugana glänzt mit neuer Technik10 min read

6. Juni 2013, Lesedauer: 7 min

KW In Valsugana glänzt mit neuer Technik10 min read

Lesedauer: 7 Minuten

Die Zeit war reif für einen Wechsel. Nach 66 Jahren Betrieb im Hochdruck-Kraftwerk von Grigno in der norditalienischen Valsugana  hatten die beiden Peltonturbinen inklusive Generatoren ausgedient.

Der Betreiber, Hydro Dolomiti Enel, beauftragte in der Folge das Südtiroler Wasserkraft-Unternehmen Troyer AG mit der  Neu-Ausrüstung des Kavernenkraftwerks. Ein Umbauprojekt, das im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres realisiert wurde. Auch wenn das Kraftwerk gut versteckt im Felsmassiv über dem Fluss Brenta liegt, kann sich das Ergebnis des Retrofitprogramms sehen lassen. Die neuen  Maschinen liegen in ihrem Leistungsvermögen rund 10 Prozent über jenem der alten – und das bei gleich gebliebenen hydraulischen Bedingungen.

Im Südosten des Trentino erstreckt sich die Valsugana, früher auf Deutsch auch Suganertal genannt, bis zur Grenze Venetiens. Seine Lage und seine Ausrichtung machten es bereits sehr früh zu einem der bedeutendsten Täler im Trentino. Schon die Via Claudio Augusta, zur Römerzeit die Hauptstraße Europas, führte durch das Tal. Sie repräsentierte die gut ausgebaute Verbindung von der Adria bis nach Augsburg. Und noch heute gilt das Tal als wichtige Transitroute zwischen Brenner und Veneto. Doch selbstredend ist die Valsugana weit mehr als ein Durchzugstal. Wein- und Obstgärten, sowie Kastanienhaine prägen das Landschaftsbild, das sowohl weite Ebenen mit den beiden malerischen Seen als auch schroffe Felswände zu bieten hat. Prägend ist auch die Brenta, jenes Gewässer, das die Valsugana von West nach Ost durchfließt. Sie entspringt aus den beiden Seen Levico und Caldonazzo und mündet nach 175 Kilometern in die Lagune von Venedig.

DIE SPUREN DER VERGANGENHEIT
Malerisch, beschaulich und durchaus facettenreich präsentiert sich heute die Valsugana seinen  Besuchern. Historisch interessierte Gäste entdecken dabei sehr rasch, dass es hier nicht immer so friedlich war. Gewaltige Festungsanlagen bezeugen, dass dem Tal in gar nicht allzu ferner  Vergangenheit auch eine militärstrategisch wichtige Rolle zugekommen ist. Vor 100 Jahren war es Grenzgebiet, nur wenige Kilometer südlich, jenseits der Hochebene von Lavarone verlief die Grenze zwischen Italien und Österreich-Ungarn. Dementsprechend aufwändig ließen die beiden Länder Festungsanlagen bauen. Es entstanden zum Teil monströse Festungen, viele davon wurden im tobenden Konflikt des Ersten Weltkriegs zerstört oder danach geschliffen. Doch die eine oder andere blieb erhalten. Diese wenigen gelten heute als Meisterwerke militärischen Ingenieurswesens. Eine davon ist die „Trincerone“, ein rund 700 Meter langer aus massivem Beton errichteter überdeckter Graben im Dorf Grigno. Das auffällige Bauwerk wurde von der italienischen Armee im Ersten Weltkrieg gebaut.

KOMPLETT IM BERGINNEREN GEBAUT
Die heftigen kriegerischen Auseinandersetzungen im Ersten Weltkrieg im und um die Valsugana hatten Folgen. Aus begründetem Sicherheitsdenken heraus begann man wichtige Infrastruktureinrichtungen zu verbergen und bestmöglich zu schützen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Kraftwerk Grigno, eines der wichtigsten Wasserkraftwerke in der Valsugana, das zur Gänze in den Felsen verlegt wurde. „Errichtet wurde die Anlage in den Jahren 1939 bis 1946, also eigentlich während des Verlaufs des gesamten Zweiten Weltkriegs“, erzählt Mariano Trentini von Hydro Dolomiti Enel, dem heutigen Betreiber der Anlage. „Um das Kraftwerk, das zur damaligen Zeit den Großteil des benötigten Stroms im Valsugana erzeugen konnte, optimal zu schützen, wurden sämtliche Anlagenkomponenten ins Berginnere verlegt, sogar die 60kV-Hochspannungsanlage.“ Das Kraftwerk nutzt das Wasser des Flusses, der heißt wie die Ortschaft selbst: also Grigno. Er entspringt 16 km entfernt am Cima d’Asta, dem höchsten Gipfel der Flemstaler Alpen (2.847 m) – ein mächtiger, landschaftsprägender Granitblock. Auf einer Seehöhe von 2.460 Meter liegt der malerische Gebirgssee Lago di Cima d’Asta, aus dem der Grigno geboren wird. In der kleinen Gemeinde Grigno mündet er schließlich in die Brenta.

DRUCKROHRLEITUNG BLEIBT ORIGINAL
Das Kraftwerk ist so konzipiert, dass über eine 25 Meter breite Seitenentnahme Wasser aus dem Grigno entnommen wird. Dieses wird über einen Freispiegelkanal zu einem Sammelbecken geleitet, in den zusätzliches Wasser aus einer Nebenfassung einströmt. In Summe können gemäß Konzession 3.500 l/s für den Kraftwerksbetrieb abgeleitet werden. Nach dem Sammel- und Beruhigungsbecken gelangt das Wasser in eine Stahldruckrohrleitung, die zur Gänze im Felsen verlegt ist. Die noch immer im Original erhaltene Druckrohrleitung DN1300 ist durchgehend mit Stahlmanschetten verstärkt, sie überbrückt eine Gefällstufe von 517 Metern bei einer Neigung von circa 45 Grad. Speziell der Bau des Stollens und die unterirdische Verlegung der Stahlrohrleitung stellten die Erbauer vor über 70 Jahren vor erhebliche Herausforderungen. „Die Maschinenkaverne sowie der Rohrstollen wurden sehr aufwändig im Sprengvortrieb hergestellt. Die Erbauer arbeiteten alleine am Rohrstollen rund 3 Jahre. Und auch die Errichtung der Druckrohrleitung war alles andere als einfach. Man hatte zu diesem Zweck eine Materialseilbahn im Stollen eingebaut, über die man die Rohre an ihren jeweiligen Bestimmungsort bringen konnte. Nachdem noch keine externe Stromversorgung möglich war, wurde diese Seilbahn mit Dieselaggregaten angetrieben“, erzählt Trentini. Noch heute verläuft parallel zur Druckrohrleitung eine Seilbahn, die einen kleinen Wagen entlang des Stollens bewegt. Heute natürlich elektrisch betrieben, versteht sich.

MASCHINENKONZEPT BLIEB UNVOLLENDET
Von seinem ursprünglichen Konzept her war das Kraftwerk für drei Maschinensätze ausgelegt. 1946 ging es aber erst einmal mit einem Maschinensatz in Betrieb, einer zweidüsigen Peltonturbine von Escher-Wyss und einem Synchrongenerator von Savigliano. Wenige Jahre später sollte ein identes weiteres Maschinenpaar hinzukommen, ebenfalls ausgelegt auf rund 6,6 MW Leistung. Ein dritter Maschinensatz, für den baulich alle Vorkehrungen getroffen worden waren, wurde jedoch nie verwirklicht. Die Maschinensätze sollten sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte bewähren. Lediglich die Transformatoren wurden einmal in den 1960er und dann in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre ausgetauscht. Zusätzlich wurde das Kraftwerk auch automatisiert. 1966 erhielt das Kraftwerk, das bislang mit einem Personalaufwand von rund 20 Mann betrieben wurde, eine moderne  Relaisgesteuerte Regelung, die erstmals einen wärterlosen Betrieb ermöglichte.

REFERENZEN VON TROYER ÜBERZEUGEN
Darüber hinaus erfuhr das Vorzeigekraftwerk im Felsen von Grigno keine weiteren Ausoder Umbaumaßnahmen in den folgenden Jahren. Dass die Zeit dafür reif wurde, machte sich allerdings immer offenkundiger bemerkbar, je näher der Ablauf der Betriebskonzession 2008 bis 2010 rückte. Im Hinblick auf eine Verlängerung der Konzession sowie auf das Erlangen der Tarifförderung über die Grün-Zertifikate gingen die Betreiber daran, ein Revitalisierungsprojekt zu erarbeiten. Ein Projekt, das einerseits die hydromaschinelle Ausrüstung und anderseits die Steuerungsautomatik der Anlage betreffen sollte. Auf Basis einer Ausschreibung ging der Auftrag für den Tausch der Maschinensätze sowie der kompletten e-technischen Ausrüstung an die Firma Troyer AG aus Sterzing. Die Südtiroler Wasserkraftspezialisten konnten die Betreiber nicht zuletzt aufgrund vieler namhafter Referenzen in diesem Leistungsbereich von ihrer Kompetenz überzeugen. Was überdies für das Sterzinger  Traditionsunternehmen sprach, war ihr breites Lieferspektrum. „Alles aus einer Hand“ gilt seit Jahrzehnten als echtes Markenzeichen des Unternehmens, das nicht nur erstklassige Turbinentechnik, sondern dazu auch maßgeschneiderte, modernste Steuerungs- und Automationstechnik liefert. In diesem Fall hat Troyer den Auftrag „schlüsselfertig“ erhalten. Das bedeutet, dass sämtliche Bauarbeiten und die Demontage gleichermaßen von Troyer koordniert oder selbst durchgeführt wurden.

MASCHINENTAUSCH AUF RATEN
Der Startschuss für die Umbauarbeiten fiel im Juli letzten Jahres, als man damit begann, den ersten der beiden alten Maschinensätze auszubauen. Der Plan der Betreiber sah vor, dass der zweite Maschinensatz noch solange in Betrieb verbleiben sollte, bis der Bauverlauf dessen hydraulische Abkopplung erforderlich machte. Dabei kam dem Konzept zugute, dass die Anlage ursprünglich für drei Maschinensätze konzipiert gewesen war. Somit konnten die beiden neuen Maschinensätze bereits montiert werden, nachdem der erste der beiden alten Maschinensätze entfernt worden war. Der zweite erzeugte noch bis in den Oktober hinein Strom, ehe er für immer vom Netz genommen wurde. Er steht heute immer noch in der Maschinenkaverne – und wirkt neben den neuen Maschinen ein wenig wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Doch nicht nur optisch liegen erhebliche Unterschiede zwischen Maschinensatz alt und Maschinensatz neu. Zwar wurden die Turbinen von den Konstrukteuren der Firma Troyer exakt an die vorgegebenen Kubaturen angepasst, doch bereits anhand der Turbinenzuleitungen
lässt sich erkennen, dass in dieser Hinsicht erhebliches Optimierungspotenzial bestand.

TECHNISCHER QUANTENSPRUNG FÜR EIN WICHTIGES E-WERK
Von den Auslegungsdaten hat sich – angesichts der gleich gebliebenen Konzession – für die Turbinen nichts geändert. Die beiden zweidüsigen Peltonturbinen aus dem Hause Troyer sind jeweils auf eine Ausbauwassermenge von 1.750 l/s und eine Nettofallhöhe von 480,0 Meter ausgelegt. Dabei erreichen die beiden baugleichen Maschinen eine elektrische Leistung von jeweils 7,3 MW. Verglichen mit den Kapazitäten der Vorgängermaschinen (6,6 MWel) bedeutet dies ein respektables Leistungsplus von rund 0,7 MW. Umgerechnet beträgt dies eine Steigerung von etwa 10 Prozent pro Maschine – und das unter gleichen hydraulischen Voraussetzungen. Kein Wunder also, dass die Betreiber ein rundum positives Resümee unter das Ertüchtigungsprojekt ziehen können. Das gilt selbstredend auch für das neue Steuerungssystem, das im Kraftwerk implementiert wurde. Für die Anlage bedeute die Umstellung von der alten relaisbasierten auf die digitale Technik einen „Quantensprung“, meint dazu Mariano Trentini. Nicht nur die Geschwindigkeit und die Präzision sämtlicher Steuer- und Regelprozesse wurden markant verbessert, auch Bedienkomfort und Sicherheit entsprechen nun den höchsten Standards der heutigen Wasserkraft. Ende November letzten Jahres wurde der erste neue Maschinensatz in Betrieb genommen, Mitte Dezember folgte schließlich der zweite. Seitdem arbeitet das Duo wie ein Schweizer Uhrwerk, effizient und verlässlich. In Summe werden die beiden Maschinen im Regeljahr rund 60 Mio. kWh erzeugen. Der Strom aus dem Felsen fließt also wieder – und der wichtige Ökostromproduzent in der Valsugana ist bestens gerüstet ist für die nächsten Jahrzehnte.

DEUTSCHE GENERATOR-TECHNOLOGIE BEWÄHRT SICH IM FELSEN VON GRIGNO
Die Tradition und die große Bedeutung des Kraftwerks Grigno in der Valsugana geben auch ein hohes Qualitätsniveau vor. Dies trifft vor allem natürlich auf das Herz der Anlage, auf die beiden installierten Maschinensätze, zu. Der beauftragte Lieferant, Wasserkraftspezialist Troyer AG aus Sterzing, setzte dabei einmal mehr auf die Qualität von Generatoren aus dem Hause von WKV. Diese stehen nicht nur für Effizienz und Leistung, sondern auch für lange Lebensdauer. Für Wasserkraftwerke wie die Kavernen-Anlage in Grigno wird im Allgemeinen in größeren Zeiträumen gerechnet. Das bedeutet, dass speziell bei Turbinen und Generatoren allergrößtes Augenmerk darauf gelegt wird, dass ein hohes Leistungsniveau auch über lange Zeit zuverlässig gehalten werden kann. Dabei liegen die Qualitätskriterien wie so oft im Detail. Bei Generatoren ist es eben wichtig, dass etwa Lagerschilde mit lagernahen Aufstellungs- und Befestigungspunkten zu einem vibrationsarmen Betrieb beitragen, oder dass durch geblechte Rotoren in Komplettschnitt-Technik hohe Drehzahlfestigkeit erreicht werden kann. Außerdem ist für eine hohe Lebensdauer von Wicklungen und Wickelköpfe eine moderne  Imprägnierung unerlässlich. All das sind Qualitätseigenschaften, die für den Breisgauer Wasserkraftspezialisten Wasserkraft Volk AG (kurz WKV) selbstverständlich sind – und sie daher prädestinieren für Einsätze, die höchste Qualität und Lebensdauer erfordern.

KÜHLSYSTEM IN REKORDGRÖSSE
Was die Frage der Lager angeht, kommen ebenfalls keine Kompromisse in Frage. Man setzt auf möglichst hochwertige Gleitlager – und konsequenterweise auch auf großzügig dimensionierte und sichere Kühlung und Ölversorgung. Im Fall der neuen Generatoren für das KW Grigno wurden die
Generatoren mit einer speziellen Schmierpumpe auf dem B-seitigen Wellenende ausgerüstet, die für eine permanente Umlaufschmierung sorgt. Was die Kühlung angeht, kam die Firma Troyer AG sogar in bislang unerreichte Dimensionen, da in das gesamte Kühlsystem auch die bestehenden Trafos eingebunden wurden. Pro Maschinensatz sind 1.000 Liter Gesamtkühlflüssigkeit installiert. Ausgelegt sind die Generatoren auf eine Nennscheinleistung von jeweils 9.000 kVA bei einer Nenndrehzahl von 750 Umdrehungen pro Minute. Im Zusammenspiel mit den zweidüsigen Peltonturbinen aus dem Hause
Troyer sorgen sie für eine energiewirtschaftlich effektive und zuverlässige Stromerzeugung für die kommenden Jahrzehnte.

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