Technik

Neue Leittechnik für das Trinkwasserkraftwerk in St. Johann in Tirol4 min read

3. Mai 2017, Lesedauer: 3 min

Neue Leittechnik für das Trinkwasserkraftwerk in St. Johann in Tirol4 min read

Lesedauer: 3 Minuten

In St. Johann in Tirol gibt es bereits seit dem Jahr 1905 eine zentrale Trinkwasserversorgung. Eine Quellableitung am Ost-Hang des Kitzbüheler Horn versorgt die Menschen in der Region mit reinstem Quellwasser.

1990 wurde die Hochquellleitung erneuert und ein Jahr später auch ein Trinkwasserkraftwerk realisiert. Die erzeugte Energie wurde anfangs zum Betrieb einer Badeanlage direkt genutzt – heute speist man in das öffentliche Stromnetz ein. Die Steuerung des Kraftwerks und der Wasserversorgung war nun aber in die Jahre gekommen. Die Versorgung mit Ersatzteilen für die Leittechnik konnte für die Zukunft nicht mehr gewährleistet werden. Deshalb entschied sich die Gemeinde das Kraftwerk einer Modernisierung zu unterziehen. Ende 2015 installierte die Firma Rittmeyer deshalb ein einheitliches Steuerungs- und Regelungssystem für Kraftwerk und Wasserversorgung. Dieses soll sowohl die Betriebssicherheit, als auch die Vereinfachung der Betriebsüberwachung gewährleisten.

Trinkwasserkraftwerke zählen ohne Zweifel zu den sinnvollsten Energieerzeugungsanlagen überhaupt. Sie nutzen ein Energiepotential, das ansonsten vernichtet würde. Um nämlich einen vernünftigen Druck in den Wasserleitungen zu erzielen, muss die Energie die durch die Höhenableitung entsteht ohnehin abgebaut werden. In St. Johann würde man dadurch ein Energiepotential von 400 Höhenmetern bei einem Wasserdargebot von 65 l/s schlichtweg verlieren. Als man also im Jahre 1990 die Hochquellleitung vom Ost-Hang des Kitzbüheler Horn erneuerte, wurde diese so ausgelegt, dass eine nachträgliche Wasserkraftnutzung ermöglicht werden konnte. Im unteren Bereich wurden so druckverstärkte Rohr bis zu PN60 in der Dimension DN200 installiert. Für die Trinkwasserversorgung mit kaskadenweiser Vernichtung der Energie kommen sonst üblicherweise nur 16 bar-Rohre zum Einsatz. Lange hat das Kraftwerk nicht auf sich warten lassen, bereits ein Jahr nach der Erneuerung der Hochquellleitung wurde das TWKW St. Johann realisiert.

ERSATZTEILE NICHT VERFÜGBAR
Im Dezember 1991 ging das TWKW St. Johann in Betrieb. Installiert wurde damals eine Peltonturbine mit einer Düse und einer Leistung von 191 kW. Bei einer Nettofallhöhe von 352 m und einem maximalen Durchfluss von 65 l/s produzierte sie jährlich bis zu 900.000 kWh. Zuletzt sank die Jahresarbeit jedoch aufgrund des höheren Wartungsbedarfs der Anlage. Das ließ auch die Verantwortlichen der Gemeinde tätig werden: „Im Bereich der Leittechnik konnten wir für die Zukunft keine Versorgung von Ersatzteilen mehr sicherstellen – also mussten wir über den nächsten Schritt nachdenken“, so Ing. Markus Schweinberger, Leiter des Tiefbauamtes der Gemeinde St. Johan in Tirol.

EINHEITLICHES LEITSYSTEM
Die Gemeinde entschied sich die Leittechnik des Kraftwerks zu modernisieren und mit der Steuerungs- und Regelungstechnik der Trinkwasseranlage zusammen zu fassen. Die Firma Rittmeyer, die sich auf beiden Gebieten spezialisiert hat, wurde dafür an Bord geholt. Zusätzlich pflegte die Gemeinde bereits auf dem Bereich der Wasserversorgung eine langjährige gute Zusammenarbeit mit dem Unternehmen. Die größte Herausforderung des Projekts bestand also darin, das Kraftwerk in die Wasserversorgungsleittechnik einzubinden. Um dies zu realisieren, lieferte und installierte die Firma Rittmeyer sämtliches Engineering für Elektro- und Leittechnik, Schaltschränke, Energieausleitung, Software, Maschinenautomatik, mechanischen Schutz, Turbinen- und Wasserstandregelung und neue Stellantriebe für Düse und Bypass.

RIFLEX M1 – AUTOMATION
Für die Automation installierte Rittmeyer das hauseigene System RIFLEX M1. Es kombiniert Maschinenautomatik, mechanischen Schutz, Turbinen- und Wasserstandregelung in einer Einheit. RIFLEX M1 ermöglicht dies durch flexible Modularität. Individuelle Bedürfnisse, wie etwa die Einbindung des Kraftwerks in die Leittechnik der Wasserversorgung, können so sehr einfach realisiert werden. Zwischen Hard- und Software bietet Rittmeyer beim System RIFLEX M1 dabei drei Branchenpakete an:

•    Wasser, Gas und Elektrizität
•    Kläranlagen und Kanalnetze
•    Wasserkraftwerke

RITOP – PROZESSLEITSYSTEM
Das Prozessleitsystem RITOP ist Teil der Leittechnik von Rittmeyer. Es tauscht die Prozessdaten mit der Automatisierungsebene, im Falle des TWKW St. Johann mit dem RIFLEX M1, aus. Die Prozesszustände werden übersichtlich in Prozessbildern, Meldebüchern, Alarmlisten und Mehrfachtrends dargestellt. Die Bedienung von Kraftwerk und Wasserversorgung erfolgt dabei über sogenannte Objektpanels. Mittels Internet-Anbindung, wird die Visualisierung und Bedienung auch vom Gemeindezentrum aus ermöglicht. Die Daten werden archiviert und individuelle Reports können jederzeit tabellarisch und grafisch  ausgegeben werden.
Das Engineering wird durch effiziente Werkzeuge unterstützt, wobei auch hier wieder umfangreiche Branchenpakete zur Verfügung stehen. „Für uns ist die neue Visualisierung eine ungemeine Erleichterung, da wir die gesamte Wasserversorgung samt Kraftwerk auf einer Darstellung jederzeit überprüfen können“, so Schweinberger.

BAULICHE MASSNAHMEN
Der Umbau der Leittechnik wurde zwischen September und November 2015 erfolgreich realisiert. Bei Problemen kann nun schneller reagiert werden, was die Ausfallzeiten drastisch reduziert. Zusätzlich wurde eine Insellösung integriert, sodass im Katastrophenfall bei längerem Stromausfall die Pumpen der Wasserversorgung mit dem Kraftwerk versorgt werden können. Dadurch erhöht sich auch die Zuverlässigkeit der Wasserversorgung für die Gemeinde.
Das Projekt ist für die Gemeinde jedoch damit noch nicht ganz abgeschlossen. Einige bauliche Maßnahmen am Kraftwerk möchte man demnächst noch umsetzen, danach ist das Kraftwerk wieder fit für die Zukunft.

Teilen: