Projekte Technik

Erfolgreicher Premieren-Auftritt für den StreamDiver in Brasilien7 min read

4. Oktober 2021, Lesedauer: 5 min

Erfolgreicher Premieren-Auftritt für den StreamDiver in Brasilien7 min read

Lesedauer: 5 Minuten

Knapp 20 Kilometer vor der Einmündung des Rio Chopim in den bekannten Rio Iguaçu im brasilianischen Bundesstaat Paraná nimmt der brasilianische Spezialist für Kleinwasserkraftwerke …

… Energias Renováveis MAZP aktuell das erste Stream-Diver®-Kraftwerk Brasiliens in Betrieb. Die Anlage besteht aus sieben modular gekoppelten StreamDiver®-Einheiten, die im Verbund rund 5 MW Leistung bringen. Dank seiner komplett öl-  und fettfreien Kraftwerkstechnologie bietet der StreamDiver® ein Höchstmaß an ökologischer Verträglichkeit. Da man für den Standort am Rio Chopim nach einer möglichst wirtschaftlichen und zugleich ökologisch-nachhaltigen Kraftwerkslösung suchte, konnte sich StreamDiver®-Hersteller Voith Hydro den Auftrag für das richtungsweisende Projekt sichern.

Nach Angaben der Internationalen Energieagentur IEA gilt Brasilien als der drittgrößte Ökostromproduzent der Welt. Vor allem die Wasserkraft spielt im Land am Amazonas eine tragende Rolle. Der Verbrauch von Strom aus Wasserkraft belief sich laut Angaben des Statistik-Portals Statista im Jahr 2019 auf rund 399 Terawattstunden. Fast 80 Prozent seines Strombedarfs deckt Brasilien mit Wasserkraft. Doch die brasilianische Ausbaustrategie stieß gerade in den letzten Jahren auf Kritik, im Inland wie auch im Ausland. Korruptionsvorwürfe und ökologische Probleme mit Mega-Projekten brachten im Jahr 2018 auch die brasilianische Politriege zum Umdenken. Mittlerweile wird von offiziellen Stellen bereits das Ende der Ausbaupläne für Großstaudämme angekündigt. Das gilt allerdings nicht für die Pequenas Centrais Hidrelétricas, wie die Kleinwasserkraftwerke in Brasilien genannt werden. Schließlich dienen diese der dezentralen Versorgung am Land und stellen somit eine wichtige Säule im Ausbau der ruralen Energie­in­frastruktur dar. Ein Unternehmen, das sich seit Jahren mit der Errichtung von umweltfreundlichen Kleinwasserkraftwerken beschäftigt, ist der Elektrizitätsdienstleister Energias Renováveis MAZP, der vor allem im Süden des Landes aktiv ist. Im Bundesstaat Paraná gelang ihm nun ein Projekt, das im Hinblick auf seine Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit neue Maßstäbe setzte.

Punktet mit geringem Baukostenanteil
19,3 Kilometer von der Einmündung des Chopim in den Rio Iguaçu entfernt, unweit der Gemeinde São Jorge de Oeste im Bundesstaat Parana befindet sich eine natürliche Gefällstufe, die den erfahrenen Wasserkraftentwicklern von Energias Renováveis MAZP nicht zuletzt aufgrund des stabilen Wasserdargebots ins Auge gestochen war. Das auf Kleinkraftwerke spezialisierte Unternehmen hatte zuvor bereits mehrere Anlagen am Rio Chopim errichtet und erkannte in der natürlichen Gefällstufe einen durchaus geeigneten Standort für ein modernes Kleinwasserkraftwerk. Allerdings musste dafür eine zentrale Frage geklärt werden: Wie sollte die geeignete technische Lösung aussehen, die sowohl besondere ökologische als auch wirtschaftliche Erfordernisse abdeckt? „Die Antwort darauf lautete StreamDiver®. Zum einen erhöhte die umweltfreundliche Technologie die Chancen auf die Genehmigung durch die Behörden, und zum anderen stellt sie die eindeutig kosteneffektivste Lösung dar – verglichen etwa mit einer konventionellen Kaplan-Turbine, wie sie im ursprünglichen Planungskonzept vorgesehen war“, erklärt Rodrigo Miranda, verantwortlich für den brasilianischen Small Hydro-Markt bei Voith Hydro. Er verweist darauf, dass die Baukosten dadurch markant gesenkt werden konnten. Im Gegensatz zu herkömmlichen Wasserkraftwerken, bei denen das Kostenverhältnis von Baukosten zur elektromechanischen Ausrüstung im Schnitt bei 70:30 liegt, sinkt der Baukostenanteil bei einer StreamDiver®-Anlage auf 50 Prozent ab. Vor diesem Hintergrund beschloss MAZP daher, die Pionier-Technologie aus dem Hause Voith Hydro beim Kraftwerk Nogueira erstmalig in Brasilien zum Einsatz zu bringen.

Moderate bauliche Eingriffe
Ohne aufwändige Umleitungen des Flusses konnten die Bauarbeiten für das StreamDiver®- Kraftwerk im Juli 2018 beginnen, nachdem sämtliche behördliche Genehmigungen für das Projekt vorgelegen waren. Die baulichen Eingriffe am Standort nahmen sich im Vergleich zu herkömmlichen Kleinkraftwerken deutlich moderater aus. „Die StreamDiver®- Einheiten wurden innerhalb von 11 Monaten gefertigt, zusammengebaut und am österreichischen „Division Small Hydro“ Standort in St. Georgen vorab geprüft, bevor sie dann den Weg zum Kraftwerksstandort angetreten haben“, erklärt Riccardo Volonterio, ebenfalls von Voith Hydro Brasilien. Er verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ein wichtiger Vorteil der Technologie auch in ihrer Kompaktheit und im vergleichsweise geringen Gewicht der Einheiten liege. Aus diesem Grund reduzieren sich somit auch die Kosten für Transport und Montage, für die keine Schwerlastkräne erforderlich sind. „Wir haben mittlerweile sämtliche Maschi­neneinheiten installiert, die dank des einfachen Handlings innerhalb von nur dreieinhalb Tagen mechanisch montiert werden konnten.  Die gesamte Trockeninbetriebnahme wurde quasi per ‘Remote Control’ aus Österreich durchgeführt. Im Januar sollen die Inbetriebsetzungsarbeiten abgeschlossen sein und das Kraftwerk den Probebetrieb aufnehmen“, sagt Miranda.

Lange Wartungsintervalle
Der StreamDiver® wurde von Voith Hydro  als kompakte Turbine-Generator-Einheit für Flussbauwerke mit niedrigen Gefällstufen konzipiert und entwickelt. Standorte wie jener am brasilianischen Rio Chopim eignen sich daher hervorragend für den Einsatz dieser Technologie. Rodrigo Miranda: „Für Kraftwerksstandorte wie diesem ist die StreamDiver®-Technologie prädestiniert. Zum einen liegt ein unschlagbares Kosten-Nutzen-Verhältnis vor und zum anderen punktet die Technologie durch ein sehr robustes Design. Sie birgt deutlich weniger Komponenten als andere Lösungen am Markt. Das erleichtert die Handhabung bei der Montage und verringert die Ausfallswahrscheinlichkeit. Im Wesentlichen besteht sie aus einer starren Propellerturbine, die mit einem Permanentmagnetgenerator gekoppelt ist.“ Er verweist auch darauf, dass aus diesem Grund keine komplexen Wartungen anfallen. Im Gegenteil: Die Wartungsintervalle liegen in der Regel bei über zehn Jahren. Grundsätzlich sprechen darüber hinaus auch die sehr niedrigen Betriebskosten für den StreamDiver®.

Ökologisch-nachhaltige Lösung
Einer der Hauptgründe, warum die Betreiber von MAZP beim Kraftwerk Nogueira auf die Pioniertechnologie von Voith Hydro setzen, ist auch in deren ökologischen Vorzügen zu sehen. Vor allem die bewusste Abkehr von öl- oder fettgeschmierten Lagern macht die Maschineneinheit zu einer herausragenden ökologisch-nachhaltigen Lösung in der Wasserkraft. Im StreamDiver® wird diese Funktion zur Gänze durch Wasserschmierung gewährleistet. Damit ist es ausgeschlossen, dass durch das Kraftwerk etwaige Verunreinigungen in das Gewässer gelangen. „Wir sehen auch einen großen Vorteil darin, dass die Maschineneinheiten komplett überströmt, also unter Wasser arbeiten. Dadurch sind die Lärmemissionen äußerst gering – und davon profitieren die terrestrische und die aquatische Fauna im Umfeld der Anlage“, argumentiert Riccardo Volonterio. Zudem wurden für den StreamDiver® spezielle, besonders fischfreundliche Laufradkonturen entwickelt.

Stark durch Modularen Ausbau
Technisch gesehen bildet das Kernstück des StreamDivers® das Aggregat mit einem in eine ölfreie Rohreinheit eingebauten Permanentmagnetgenerator. Das Leistungsspektrum dieser Maschineneinheiten liegt nach Angaben von Hersteller Voith Hydro zwischen 50 kW und 1.200 kW. Allerdings können größere Leistungsvarianten ganz einfach durch eine modulare Konfiguration mehrerer StreamDiver®-Einheiten realisiert werden. Im Fall des neuen Kraftwerks Nogueira im brasilianischen Parana wurden in Summe 7 Einheiten mit einer Einzelleistung von je 800 kW modular installiert, die auf eine Nettofallhöhe von 8,2 Meter und einen Gesamt-Ausbaudurchfluss von 80 m3/s ausgelegt sind. Damit leistet die Anlage rund 5 MW Engpassleistung. Aufgrund der günstigen Durchflussbedingungen gehen die Betreiber von einer konstanten und soliden Stromproduktion in den kommenden Jahren aus. Der erzeugte Strom wird ins regionale Netz eingespeist, um in der Region private wie gewerbliche Kunden zu versorgen.

Großteil der Dämme ungenutzt
„Heute werden 85 Prozent der weltweit bestehenden Staudämme und Querbauwerke nicht für die Erzeugung von Wasserkraftstrom genutzt. Voith Hydro bietet mit dem StreamDiver® eine Lösung, die eine nachhaltige Nutzung dieses Potenzials im Einklang mit der Natur ermöglicht“, resümiert Rodrigo Miranda. Das neue Kraftwerk Nogueira zeigt diese Perspektive eindrücklich auf. Nachdem in Europa bereits mehrere StreamDiver®-Projekte erfolgreich umgesetzt werden konnten, wurde damit nun auch in Brasilien ein erster Meilenstein dieser Technologie-Entwicklung gesetzt. Weltweit rechnet Voith mit einem Potenzial für die StreamDiver®-Technologie von etwa 5.000 MW. Bislang ungenutzte Wasserkraftpotenziale an niedrigen Gefällstufen, die eine wirtschaftlich effiziente und zugleich ökologisch nachhaltige Lösung erfordern, könnten damit gehoben werden. Dank der enormen Flexibilität des Systems StreamDiver® kann die Technik ohne großen Aufwand auch in bestehende Kraftwerke und Wehre integriert werden. Aktuell arbeiten die Techniker bei Voith Hydro an mehreren Weiterentwicklungen: So konnte etwa bereits das Wirkungsgradniveau der Propellerhydraulik verbessert werden. Des Weiteren wurde ein Lagerprüfstand unter Realbedingungen installiert, um die Erweiterung des Fallhöhenbereichs für die eingesetzte triebwassergeschmierte Lagertechnologie zu erproben. Außerdem kann nun bei Bedarf auch eine doppeltregulierte Ausführung, sowie der vertikale Einbau – zum Beispiel in Schachtkraftwerken – realisiert werden. Der StreamDiver® bringt alle Voraussetzungen mit, um die technisch-wirtschaftliche Kraftwerkslösung an niedrigen Gefällstufen der Zukunft zu werden.


Teilen: